Sonntag, 20. September 2015

Hörst Du den Takt?

Was ist es, das uns den Takt halten lässt? Meine Tanzpartnerin hat manchmal Schwierigkeiten den Takt eines Titels zu hören, während ich selbst problemlos danach tanzen kann. Mir reichen im allgemeinen zwei Takte, dann hab ich's intus. Dann fängt ein inneres Metronom an, zu schlagen. Es braucht dann nur immer mal wieder einen deutlichen Taktschlag, um zu synchronisieren.
Sie sagt, das kenne und könne sie so nicht, sie müsse den Takt erkennen und ständig hören.
Das ist mir ein wenig ein Rätsel. Aber OK. 

Ich finde es spannend wenn die Musik oder der Sänger mich zwingt das (innere) Metronom anzuhalten oder zu beschleunigen. Interessanter Weise kann das mit einem Gefühl der inneren Anspannung und Entspannung einhergehen.

Wenn ich das innere Metronom nicht höre, bin ich dann zwangsläufig für diese Effekte von Musik nicht empfänglich?
Ist das der Grund warum Leute den Kopf schütteln, wenn ich erzähle, dass der kurze Moment des Hinausziehens eines Tones über die Taktgrenze hinweg bei mir zu einer Gänsehaut geführt hat? Ich finde das schade für sie und verzweifle fast daran, wenn ich's ihnen nicht erklären kann. 

Hmmm. jetzt frage ich mich:
Welche Möglichkeiten Kunst zu erleben sind mir verschlossen?
Bestimmt viele. Zu einigen gefeierten Werken habe ich überhaupt keinen Zugang. Dann stellt sich mir immer die Frage. Sind das jetzt wieder des Kaisers neue Kleider, oder fehlt mir einfach die Ausbildung bzw. Erfahrung.
Aber warum sollte ich das denn haben wollen. Welche Art von Sozialisation haben Menschen erlebt, die sich von einer 1x3 Meter großen Leinwand in Begeisterung versetzen lassen, auf der Farbe quasi ausgekippt wurde?
Und ..., kann ich nicht erwarten, dass ein Künstler sich bemüht, auch mich, im Rahmen meiner Erlebnismöglichkeiten, anzusprechen?

... Jetzt reicht's mir. Vieles von dem, was sogar Du als wertvolle Kunst akzeptierst, wäre gar nicht entstanden, wenn der Künstler sich um seine Empfänger oder Konsumenten gekümmert hätte?

Und dann wurde das Werk nur für den Schaffer erzeugt?

... vielleicht. Vielleicht freut sich der Künstler dann auch noch wenn er feststellt, dass Andere seine Vorstellungen nachvollziehen können.

Ja, hilft i.A. auch beim Überleben. Und wie erkenne ich dann "des Kaisers neue Kleider?"

... dass Dir Schwaben das wichtig ist, wundert mich mal wieder nicht. Kauf's doch einfach nicht, wenn's Dich nicht anspricht.

Und wenn Steuermittel dafür ausgegeben werden?

... dann freu Dich, dass Du quasi für Umme in die Lage versetzt wirst, dass ein Kunstwerk, das Du Dir nicht erworben hättest (können?) Deinen Erfahrungsschatz erweitern kann.

Meinen, oder den von irgendwelchen Eliten oder reichen "Bildungsbürgern"? Das Gros der Bevölkerung kann mit Einigem doch gar nichts anfangen und wird es auch nie verstehen können.

... tja da hat der Staat wohl auch noch die Aufgabe, Fortschritt zu unterstützen.

Ahhh sowas wie Grundlagenforschung?

... Jupp wenn Du so willst.

Ok. Dann lass ich's mal dabei. Die ursprüngliche Frage war. Was ist mir an Erleben verschlossen? Hat es Sinn da nach Neuem zu streben.

... Unbedingt. Wenn Du immer nur Bekanntes genießt wird das doch irgendwann schal. Oder?

Nein, eigentlich nicht. Es wird immer wieder ein wenig variiert. So wie im Moment so ein Flüsterstimmchen Chaka Khans " Ain't Nobody " in die Charts gebracht hat. Dafür brauche ich keine Erweiterung meines Horizonts.

... na vielleicht doch. Es gibt nicht wenige, die die neue Interpretation ablehnen und andere, die das alte verstaubt finden.

Das ist aber doch nur Geschmack.

... OK. passt dann vielleicht nicht. Was könnte denn Deinen Horizont erweitern. Was verstehst Du im Moment nicht, oder lehnst Du sogar ab.

David Bowie. Aber auf den habe ich auch überhaupt keine Lust.

... Ist vielleicht auch nur Geschmack.

Ja, kann sein. Ich finde den einfach komisch, langweilig und unmelodisch. Und ich glaube nicht, dass 10 Mal anhören daran was ändern kann.

... das Beispiel war schlecht gewählt. Ich glaube, Du hast eine Aversion gegen den Typen.

Hmmm am Typen liegt es nicht. Peter Gabriel finde ich durchweg gut.

... wie steht's mit wirklich progressivem? Freejazz.

Sorry. Eine Zeitlang OK. Aber irgendwann ist es für mich nur Gedudel. Meist gefallen mir noch die Anfänge wo die Grundlage noch zu erkennen ist, dann noch ein paar Variationen, danach ist aber Schluss. Und  Schlagzeugsoli finde ich bis auf das von "Take Five" langweilig.

... 12Ton Musik

Hmmm, habe ich schon lange nicht mehr probiert. Das könnte aber irgendwann wirklich interessant werden. In der Schule mussten wir x-Mal Atmosphere von Ligeti hören und irgendwann fand ich Klangflächen genial. Ich glaube bei Alan Parsons. "Tales of...." hat man sie auch im Pop zu hören bekommen.


Irgendwo habe ich auch gehört, dass Menschen im 18. Jahrhundert die typischen Komik Zeichnungen gar nicht verstanden hätten.

... im 19. Jahrhundert gab's die aber schon. Zumindest hat der Simplicissimus sowas veröffentlicht.

Vielleicht war's auch noch früher. Auf jeden Fall wurden die allmählich eingeführt und plötzlich war jeder in der Lage Menschen auf solchen Zeichnungen zu verstehen.

... Fällt mir schwer zu glauben. Jeder, der versucht, einen Menschen zu malen, erzeugt doch sowas.

 Ach egal, ich dachte nur, das könnte ein weiteres Beispiel sein. Aber ich kann ja keinen aus dem 18. Jahrhundert fragen. 
Hab keine Lust mehr, findest Du irgendein Fazit.

... Warum ich. Du bist der Typ, der Bowie ablehnt. Sei offen, die Massen können sich doch nicht irren.

Also gut. Aber bevor ich mich um Bowie bemühe, darf ich mich auch um Stockhausen kümmern oder?

... na dann viel Spaß.

... und wie macht Ihr das jetzt mit dem Takt. 

Na ich hab natürlich das Sagen, wie immer im Standardtanzen. Hmmm und hoffe, dass sie nicht zu zögerlich wird, weil sie mich zu verstehen versucht. Denn ... wenn sie nicht glücklich oder zumindest zufrieden ist, dann klappt's leider gar nicht.